Bundesregierung einigt sich auf mehr Tierschutz - Tierschützer dennoch enttäuscht
Die Bundesregierung hat sich auf strengere Vorgaben beim Tierschutz geeinigt. Verschärfte Regeln sollen etwa für die Haltung von Heim- und Nutztieren, die Zucht von Hunden oder den Onlinehandel mit Haustieren gelten, wie das Bundeslandwirtschaftsministerium am Freitag erklärte. Der Tierschutzbund kritisierte den Gesetzentwurf scharf und warf Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) vor, gegen den Koalitionsvertrag zu verstoßen. Auch die Landwirte sind unzufrieden, ihnen gehen die Regeln zu weit.
"Die allermeisten Tierhalterinnen und Tierhalter in Deutschland werden ihrer Verantwortung gegenüber den Tieren gerecht", erklärte Özdemir. "Doch noch immer gibt es beim Umgang mit und der Haltung von Tieren Defizite und deshalb leiden in Deutschland viele Tiere." Das Bundeskabinett habe nun die "umfangreichste Überarbeitung des Tierschutzgesetzes seit vielen Jahren" verabschiedet.
So soll unter anderem die Qualzucht beendet werden - wenn Tiere auch für Merkmale gezüchtet werden, die zu Schmerzen oder Krankheiten führen. Hier wird die bisherige Definition um weitere Leiden der Tiere erweitert, wie das Landwirtschaftsministerium ausführte. "Dazu gehören Symptome wie Blindheit, Taubheit oder Atemnot." Zur besseren Kontrolle müssen Verkäufer von Tieren im Internet ihre persönlichen Daten bei der jeweiligen Plattform hinterlegen.
Bei einem zentralen Thema, dem ursprünglich anvisierten Verbot der Anbindehaltung von Rindern, sollen künftig allerdings weitreichende Ausnahmen gelten. So soll es nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums erst nach einer Übergangszeit von zehn Jahren gänzlich verboten sein, Rinder das ganze Jahr über im Stall anzubinden. Für kleinere Betriebe bleibt zudem dauerhaft die saisonale Anbindehaltung möglich.
"Anbindehaltung ist Tierquälerei", sagte dazu Tierschutzbund-Präsident Thomas Schröder. Das Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung mit Übergangsfrist sei weitgehend bedeutungslos, weil diese Haltungsart ohnehin ein "Auslaufmodell" sei. Durch das Ermöglichen der saisonalen Anbindehaltung allerdings würden tausende Tiere weiterhin die meiste Zeit ihres Lebens angebunden verbringen. Damit verstoße Özdemir gegen den Koalitionsvertrag, der ein Verbot vorsehe.
Der Minister verwies auf "die wertvollen und artenreichen Kulturlandschaften in Süddeutschland mit den Bergbauern und Almen, Wiesen und Weiden". Tatsächlich wird die Anbindehaltung von Kühen vor allem in Baden-Württemberg und Bayern praktiziert. Tierschutzpräsident Schröder vermutet deshalb eine strategische Entscheidung Özdemirs mit Blick auf dessen politische Ambitionen in seiner Heimat Baden-Württemberg.
Weitere wichtige Punkte wie ein Verbot des Transports lebendiger Tiere in Länder außerhalb Europas, strengere Regeln für Tierversuche oder die Kastrationspflicht für Katzen mit Freigang fehlten in dem Entwurf zudem gänzlich, kritisierte Schröder. Das Abschneiden der Ringelschwänze bei Ferkeln werde "nicht wirksam eingeschränkt", ergänzte Olaf Band, Vorsitzender des BUND. Auch fehle für die Qualzucht im Bereich landwirtschaftlich gehaltener Tiere weiterhin jede brauchbare Definition.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) prangerte den Gesetzentwurf dennoch als "wenig praktikabel und in handwerklicher Hinsicht sehr überarbeitungsbedürftig" an, besonders in der Schweinehaltung. Die Bundesregierung gehe mal wieder über EU-Vorgaben hinaus und schaffe neue Bürokratie, statt für Entlastung der Landwirte zu sorgen.
"Wir setzen jetzt auf das parlamentarische Verfahren und hoffen, dass dort mit Sachverstand vernünftige Lösungen gefunden werden", erklärte der beim DBV für die Nutztierhaltung zuständige Präsidiumsvertreter, Hubertus Beringmeier. Er hoffe, dass die Bundestagsfraktionen diesen "falschen" Beschluss korrigieren, sagte auch Tierschutzbundpräsident Schröder.
Weitere Regeln betreffen etwa Wildtiere in Zirkussen: Elefanten, Giraffen oder Nilpferde im Bestand eines Zirkus dürfen auch weiterhin gehalten, aber nicht neu angeschafft werden. Außerdem drohen bei schweren Verstößen gegen das Tierschutzrecht wie das grundlose Töten oder die Misshandlung von Tieren härtere Strafen.
A.Rispoli--PV