Eisschwund könnte Tierwelt in den Polarmeeren verändern - und damit die Fischerei
Der Eisschwund in den Polarmeeren könnte tiefgreifende Auswirkungen auf das dortige Ökosystem haben - und damit auch auf die Fischerei. Das schließen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Analyse alter DNA vom Meeresgrund, wie das Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven am Montag mitteilte. Ein Team um Ulrike Herzschuh warf demnach "einen Blick rund 20.000 Jahre zurück bis in die letzte Eiszeit".
Untersucht wurden Ablagerungen, die sich über die Jahrtausende am Meeresboden ansammelten und nun an die Oberfläche geholt wurden. Das Forschungsteam fand DNA von Vertretern aus 167 Familien von Meeresbewohnern, deren Lebensraum das Eis oder das freie Wasser ist. "Wir waren selbst überrascht, dass in diesen alten Sedimenten Informationen über das komplette Ökosystem stecken", erklärte Herzschuh.
Sie fand heraus, dass Diatomeen und andere Algen in oder unter dem Meereis typisch für die kälteren Phasen der letzten Eiszeit waren. Dies seien winzige Sauerstoffproduzenten, die Ruderfußkrebsen als Nahrung dienten. Diese seien wiederum von Fischen aus der Familie der Dorsche gefressen worden, wie dem Pazifischen Kabeljau, dem Alaska-Seelachs und dem Polardorsch.
In wärmeren Epochen ohne Eis habe es dagegen viel weniger Diatomeen und Ruderfußkrebse gegeben, dafür aber mehr Cyanobakterien. Am Meeresgrund hätten sich in geschützten Buchten Seegraswiesen ausgebreitet, statt der Dorsche seien in der Beringsee mehr Lachse und Pazifische Heringe geschwommen.
Ähnliche Veränderungen erwartet das Team auch für eine wärmere und weitgehend eisfreie Zukunft. Der Fang einiger beliebter Speisefische wie Seelachs und Kabeljau würde sich dann in der Beringsee womöglich nicht mehr lohnen, hieß es. Dafür könnten der Buckellachs und der Pazifische Hering weiter nach Norden vordringen.
Die Forscherinnen und Forscher erwarten außerdem, dass die Planktongesellschaften unter eisfreien Bedingungen weniger Kohlenstoff in die Tiefe transportieren und in den Sedimenten deponieren. Möglicherweise könnten die Meere dann nicht mehr so viel Kohlendioxid speichern, was den Klimawandel weiter anheizen würde, hieß es.
Neben Herzschuh, die am AWI-Standort in Potsdam die Forschungsgruppe Polare Terrestrische Umweltsysteme leitet, waren weitere AWI-Kolleginnen sowie Forscherinnen und Forscher von der Jacobs University Bremen und dem Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel an der Arbeit beteiligt. Ihre Erkenntnisse stellten sie im Wissenschaftsjournal "Nature Communications" vor.
E.M.Filippelli--PV