Bauern setzen Proteste am dritten Tag fort - Özdemir mahnt "mehr Fairness" an
Die Sparpolitik der Bundesregierung mit ihren Subventionskürzungen für die Landwirtschaft hat die landesweiten Proteste von Bauern auch am Mittwoch nicht abreißen lassen. Bauernpräsident Joachim Rukwied drohte mit weiteren Demonstrationen, sollte die Bundesregierung ihre Kürzungspläne nicht vollständig zurücknehmen. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) stellte sich bei einer Kundgebung im baden-württembergischen Ellwangen den Protestierenden und mahnte mehr Fairness in der Debatte an.
Mit Treckerkonvois und Blockadeaktionen machten auch am Mittwoch zahlreiche Landwirtinnen und Landwirte ihrem Unmut Luft; zu Verkehrsbehinderungen durch Fahrzeugkorsos oder Versammlungen kam es nach Polizeiangaben unter anderem in Augsburg, Chemnitz und Dresden.
Der Zorn vieler Bauern richtet sich unvermindert gegen die Sparpläne der Bundesregierung, die Mitte Dezember im Zuge ihrer Haushaltseinigung unter anderem einen Wegfall der Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Maschinen angekündigt hatte. Zwar ist diese Subventionskürzung inzwischen wieder vom Tisch - weiterhin geplant ist eine schrittweise Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel.
Bauernpräsident Rukwied kritisierte im ZDF-"Morgenmagazin, die nur teilweise Rücknahme der Pläne sei ein "fauler Kompromiss", der eine zusätzliche Belastung der Landwirte bedeute. "Am Montag werden wir eine große Demonstration in Berlin veranstalten, dann behalten wir uns weitere Schritte vor", fügte er hinzu.
Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir hob in Ellwangen hervor, dass auch auf sein Drängen hin die Kürzungspläne der "Ampel"-Spitzen abgeschwächt worden seien. Er habe "schon auch etwas durchgesetzt", sagte er, begleitet von Pfiffen.
Applaus erntete er in der Ellwanger Stadthalle für seinen Appell für mehr gegenseitiges Verständnis in der aufgeheizten Debatte. In der Vergangenheit - in den Jahren und Jahrzehnten vor seinem Amtsantritt als Bundeslandwirtschaftsminister - sei eine Politik verfolgt worden, "die hieß: billig für den Export - und nicht Qualität", sagte er.
"Waren das alles Grüne? War das alles ich?", fragte Özdemir rhetorisch und mahnte "etwas mehr Fairness" an. "Lassen Sie uns das gemeinsam anpacken", sagte er. "Nur so werden wir erfolgreich sein."
Nach seiner Rede stellte sich Özdemir vor der Stadthalle in Ellwangen der Diskussion mit protestierenden Landwirten, wie auf im Internet veröffentlichten Bildern zu sehen war. Begleitet wurde der Austausch wiederholt von lautstarken "Die Ampel muss weg"-Rufen.
Die Bauernproteste fachen auch die Debatte über die Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland an. Özdemir betonte in Ellwangen, dass es für "gute Produkte" auch einen angemessenen Preis geben müsse und die Landwirte in der Wertschöpfungskette gestärkt werden sollten.
Die rheinland-pfälzische Landwirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) regte einen "Agrargipfel" unter der Leitung Özdemirs an. Dort sollten gemeinsam mit der Agrarbranche Lösungen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft gefunden werden, erklärte sie.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sprach sich in der "Rheinischen Post" dafür aus, eine "breite Agrar-Allianz zu schmieden". Unter der Koordination des Bundes müssten alle Akteure an einen Tisch: die Landwirtschaft, der Einzelhandel, Umwelt- und Tierschutzverbände, Gewerkschaften, Wissenschaft und alle politischen Ebenen.
Bauernpräsident Rukwied sagte dem "Spiegel", aus seiner Sicht sei Landwirtschaft in Deutschland ohne Subventionen nicht machbar. Dies halte er "nicht für realistisch", sagte er dem Nachrichtenmagazin laut Vorabmeldung vom Mittwoch. So gebe es neben der gesellschaftlichen Forderung nach mehr Tierwohl und Nachhaltigkeit im globalen Vergleich auch "eine klein strukturierte Landwirtschaft, vor allem in den älteren Bundesländern". Das alles habe am Ende höhere Kosten zur Folge. Darum brauche es auch finanzielle Unterstützung.
A.Tucciarone--PV