160 Milliarden Euro: Wohlstandsverlust in Deutschland durch Ukraine-Krieg
Der Krieg in der Ukraine und die Energiekrise haben laut einer Rechnung des Bundeswirtschaftsministeriums in Deutschland zu Wohlstandsverlusten von etwa 160 Milliarden Euro geführt. Das geht aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf Anfrage des Linken-Abgeordneten Jörg Cezanne hervor, die AFP am Donnerstag vorlag. Allerdings betonte das Ministerium, dass die Rechnung keine vollständige Aussagekraft hat.
Vor dem Überfall Russlands war die Bundesregierung von einem durchschnittlichen preisbereinigten Wachstum des BIP von jährlich rund 3,0 Prozent 2022 und 2023 ausgegangen. Tatsächlich nahm das BIP jährlich nur um 0,7 Prozent zu. Der reale Unterschied betrage somit insgesamt rein rechnerisch rund vier Prozent oder etwa 160 Milliarden Euro, erklärte das Ministerium.
Es schränkte in der Antwort an Cezanne aber ein: "Eine Quantifizierung der Wohlstandverluste durch die sich überlagernden negativen exogenen Einflussfaktoren der letzten Jahre, zuvorderst der Corona-Pandemie und des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, ist nicht möglich." Hierfür wäre die Kenntnis darüber erforderlich, wie sich die deutsche Wirtschaft ohne diese Schocks entwickelt hätte.
Der Linken-Politiker kritisierte vor allem die Reaktion der Bundesregierung: Sie sei sich bewusst, dass es "eklatante Wohlstandsverluste gibt", sagte Cezanne der Nachrichtenagentur AFP. "Sie reagiert darauf aber vollkommen unzureichend, mit Haushaltskürzung und einem irrwitzigen Sparkurs". Ausgleichsmaßnahmen gegen die hohen Gas- und Strompreise reichten nicht aus, die Schuldenbremse behindere nötige Investitionen.
Nach einer Berechnung der Hans-Böckler-Stiftung für das ARD Magazin "Panorama" ist der Wohlstandsverlust noch viel höher. Laut dieser Rechnung verlor Deutschland infolge des Ukraine-Kriegs pro Jahr fünf Prozent seines Bruttoinlandsprodukts jährlich. Grundlage sind die Schätzungen des Internationalen Währungsfonds aus dem Herbst 2021 für das deutsche BIP bis ins Jahr 2024. Pro Kopf seien das im Schnitt etwa 2600 Euro jährlich.
Die Wohlstandsverluste seien höher als in anderen Ländern, sagte Sebastian Dullien von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung der ARD. In Schweden seien es 1700 Euro, in Italien 230 Euro. Der Durchschnitt im EU-Raum liege bei etwa 880 Euro. "Deutschland hat ein paar strukturelle Charakteristika, die es besonders verwundbar gemacht haben", sagte Dullien dem Sender, "wir haben einen sehr großen Industriesektor. Das heißt, wir verbrauchen viel Energie". Hinzu komme, dass die Bundesregierung "relativ spät" in die Gasmärkte eingegriffen habe.
A.Graziadei--PV