Lindner will Steuerzahler wegen Folgen hoher Inflation entlasten
Angesichts der hohen Inflation will Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die Beschäftigten im kommenden Jahr über Anpassungen bei der Einkommensteuer entlasten. Der Staat dürfe "sich nicht an Gehaltserhöhungen bereichern, die nur den Preisanstieg ausgleichen", sagte Lindner der "Bild"-Zeitung vom Freitag. Er wolle deshalb im Herbst "einen fairen Vorschlag machen", um die sogenannte kalte Progression zu bekämpfen. Dann gebe es "mehr Klarheit über die Entwicklung".
Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums sagte dazu in Berlin, zunächst solle der Progressionsbericht in diesem Jahr abgewartet werden. Auf Grundlage der darin enthaltenen Daten solle dann ein Vorschlag für Steuerentlastungen erarbeitet werde. "Die Überlegungen laufen, aber dem Bericht soll nicht vorgegriffen werden", sagte der Sprecher. Er verwies darauf, dass das Vorhaben im Grundsatz schon vor Monaten angekündigt worden sei.
Auf raschere Entlastungen drängte die Union. "Der Finanzminister darf mit den Steuerzahlern keine Spielchen spielen. Den Ausgleich der kalten Progression können wir nicht auf die lange Bank schieben", sagte Fraktionsvize Torsten Frei der "Bild"-Zeitung. Der CDU-Politiker wies darauf hin, dass viele Menschen unter der hohen Preissteigerung leiden würden. "Da zählt jeder Monat, an dem die kalte Progression früher ausgeglichen wird", mahnte er weiter.
"Ein Lohnausgleich darf nicht vom Staat wegbesteuert werden", verlangte auch die Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung der Union, Gitta Connemann. Sie kritisierte im Magazin "Focus" ebenfalls, dass die Bundesregierung dagegen nicht rascher mehr unternehme. "Jetzt sieht die Ampel einfach zu und kassiert", sagte die CDU-Politikerin.
Die kalte Progression bezeichnet das Phänomen, dass Menschen zwar mehr Gehalt verdienen, sich davon aber trotzdem weniger kaufen können. Ein Grund dafür ist die Steuerprogression: Die Anwendung eines höheren Steuersatzes führt dazu, dass Beschäftigte mehr Steuern von ihrem Bruttogehalt zahlen müssen. Hohe Inflation kann dann zu Reallohnverlusten führen. Das Statistische Bundesamt hatte am Donnerstag für April eine Inflationsrate in Rekordhöhe von 7,4 Prozent bekanntgegeben.
Der Bund der Steuerzahler taxiert das Volumen der von Lindner in Aussicht gestellten Entlastung laut "Bild" auf 13 Milliarden Euro. Verbandspräsident Reiner Holznagel forderte die Bundesregierung ebenfalls auf, damit nicht bis 2023 zu warten. "Die Bundesregierung muss sofort reagieren. Sie muss den Einkommensteuertarif 2022 angleichen und die ungerechte kalte Progression komplett abbauen – dieser notwendige Schritt darf nicht länger aufgeschoben werden" , verlangte er.
Lindner hatte im Februar Veränderungen im Steuertarif und beim Grundfreibetrag in Aussicht gestellt, um ab 2023 gegen die kalte Progression vorzugehen. Das Bundeskabinett hatte dann bereits im März rückwirkend zum 1. Januar beschlossen, den Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer für das laufende Jahr auf 10.347 Euro anzuheben. Das Finanzministerium hatte den Gesetzentwurf, der sich noch im parlamentarischen Verfahren befindet, mit "dem teilweisen Ausgleich der kalten Progression" begründet.
B.Cretella--PV