Forderungen und Streikdrohungen: VW-Arbeiter kämpferisch - Konzern verweist auf Krise
Unter dem Eindruck lauter Proteste der Belegschaft haben in Hannover die Tarifverhandlungen bei Volkswagen begonnen. Tausende Beschäftigte nahmen am Mittwoch an einer Kundgebung teil, die Verhandler der Gewerkschaft IG Metall gaben sich kämpferisch. Die Konzernspitze verwies hingegen auf die schwierige Lage des Autobauers. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) forderte eine Lösung am Verhandlungstisch.
IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger warf der Geschäftsführung vor, für die Krise bei VW verantwortlich zu sein. "Dieselskandal, Fehleinschätzungen, Fehlentscheidungen sind nicht das Verschulden der Beschäftigten", sagte er bei der Kundgebung, an der nach Angaben der Gewerkschaft mehr als 3000 Menschen teilnahmen. Die Belegschaft werde es nicht hinnehmen, dass sie dies nun ausbaden solle.
Die deutsche Autoindustrie und VW in vorderster Reihe stecken in der Krise. Sinkende Absätze besonders bei E-Autos und zugleich hohe Investitionskosten für die E-Auto-Entwicklung belasten die Branche. Bei VW stehen deshalb ein Job-Abbau und sogar Werksschließungen zur Debatte.
"Die Situation ist ernst", sagte VW-Verhandlungsführer Arne Meiswinkel. Das wirtschaftliche Umfeld habe sich zuletzt "deutlich verschärft" und der Standort Deutschland falle bei der Wettbewerbsfähigkeit weiter zurück. "Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen wir die Volkswagen AG jetzt gemeinsam umfassend restrukturieren." Das Unternehmen müsse seine Effizienz steigern und zugleich seine Kosten senken.
Die Konzernführung hatte unter Verweis auf die Probleme eine Reihe von Tarifverträgen gekündigt, darunter Regelungen zur Beschäftigungssicherung, zur Übernahmegarantie für Auszubildende und den Arbeitsbedingungen für Zeitarbeiter. Betriebsratschefin Daniela Cavallo nannte dies einen "Angriff auf unsere Wurzeln". Bei VW sei es neben der Wirtschaftlichkeit schon immer auch um die Beschäftigungssicherung gegangen. Das gehöre zur DNA von Volkswagen.
Nun fahre die Chefetage "Werksschließungen als Drohkulisse auf" und verängstige die Belegschaft mit Schlagzeilen über Massenentlassungen, führte Cavallo aus. "Es braucht eine Jobgarantie nicht nur für Schönwetterzeiten, sondern gerade, wenn es schwierig wird", sagte Verhandlungsführer Gröger. Ab dem 1. Dezember, wenn die Friedenspflicht endet, stünden Warnstreiks ins Haus.
Die Tarifverhandlungen waren eigentlich erst für Ende Oktober angesetzt, wurden angesichts der Krise aber vorgezogen. Neben der Entgelterhöhung geht es nun auch um die Themen Beschäftigungssicherung, Auszubildende und Leiharbeiter. Beim Entgelt bleibt die IG Metall bei ihrer Branchenforderung von sieben Prozent mehr Lohn sowie 170 Euro mehr für Auszubildende.
"Volkswagen braucht Gespräche, Volkswagen braucht kluge Konzepte, aber Volkswagen braucht keinen weiteren öffentlichen Schlagabtausch", warnte Ministerpräsident Weil. Er sitzt für Niedersachsen im Aufsichtsrat von VW, das Land hält gut 20 Prozent der Anteile und hat bei wichtigen Entscheidungen ein Vetorecht. Weil erinnerte daran, dass die Automobilindustrie die wichtigste Branche in Niedersachsen sei und dort insgesamt für rund 4,5 Prozent aller Arbeitsplätze stehe.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag von Niedersachsen, Sebastian Lechner, warf Weil eine Mitschuld an der Krise bei VW vor. Er habe die "sehr einseitige E-Mobilitätsstrategie des Unternehmens, die im Vergleich zu vielen anderen Autobauern auffällig ist" mit zu verantworten. IG-Metall-Verhandlungsführer Gröger warnte hingegen vor einem "Schlingerkurs" beim E-Auto. Nötig sei ein "gemeinsamer, nationaler Kraftakt - ein Konjunkturprogramm Elektromobilität".
R.Zarlengo--PV