Russland drosselt Gaslieferungen nach Deutschland und Italien deutlich
Russland hat seine Gaslieferungen in die EU weiter gedrosselt. Die Durchleitungen durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream nach Deutschland würden ab Donnerstag um ein Drittel auf 67 Millionen Kubikmeter Gas am Tag gekürzt, erklärte der Energiekonzern Gazprom am Mittwoch. Hintergrund sei, dass am Start der Pipeline eine weitere Turbine des deutschen Herstellers Siemens außer Betrieb genommen werden müsse. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nannte die Begründung "vorgeschoben".
Gazprom reduzierte am Mittwoch auch die Gaslieferungen nach Italien deutlich. Das russische Unternehmen habe eine Drosselung der Erdgasmenge um "rund 15 Prozent" mitgeteilt, sagte ein Sprecher des teilstaatlichen italienischen Energieversorgers Eni der Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch. Gazprom habe Eni zunächst keine Gründe genannt.
Erst am Dienstag hatte Gazprom für seine Lieferungen nach Deutschland eine Reduzierung von 167 Millionen auf 100 Millionen Kubikmeter bekannt gegeben. Dies wurde mit in Reparatur befindlichen Siemens-Bauteilen begründet. Die 2011 in Betrieb genommene Nord-Stream-Leitung ist die Gas-Pipeline mit der höchsten Kapazität zwischen Russland und Deutschland. 2021 wurden durch sie nach Angaben der Betreibergesellschaft 59,2 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Russland nach Europa exportiert.
"Die aktuellen Meldungen zeigen deutlich: Die Begründung der russischen Seite ist schlicht vorgeschoben", erklärte Habeck nach der erneuten Kürzungsankündigung vom Mittwoch. "Es ist offenkundig die Strategie, zu verunsichern und die Preise hochzutreiben."
Aktuell könnten die nötigen Gasmengen am Markt beschafft werden, "wenn auch zu hohen Preisen", fügte er hinzu. Auch würden die Gasspeicher weiter befüllt. "Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet. Aber wir beobachten die Dinge sehr genau und sind über die Krisenstrukturen in engstem Austausch mit den relevanten Akteuren."
Habeck mahnte zugleich Energiesparen an. Dies sei "das Gebot der Stunde". Die Bundesregierung werde außerdem "staatliche Maßnahmen ergreifen, wenn dies nötig ist".
Der Anteil der russischen Lieferungen an den deutschen Gasimporten liegt aktuell bei etwa 40 Prozent, wie der parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Oliver Krischer (Grüne), laut der Bundestags-Pressestelle am Mittwoch im Energieausschuss sagte. Im Durchschnitt der vergangenen Jahre seien es 55 Prozent gewesen. Ebenso wie andere europäische Länder bemüht sich Deutschland seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine, die Abhängigkeit von russischen Energieimporten zu verringern.
In Italien erklärte der Minister für den ökologischen Übergang, Roberto Cingolani, es seien durch die eingeschränkten Gaslieferungen aus Russland derzeit "keine kritischen Situationen" festzustellen. Italien ist von russischem Erdgas ähnlich stark abhängig wie Deutschland. Das Land importiert 95 Prozent des eigenen Gasbedarfs, 40 Prozent der Einfuhren kamen im Jahr 2021 aus Russland.
In der Europäischen Union wurden indes weitere Schritte unternommen, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern. Am Mittwoch unterzeichnete die EU ein Abkommen über Gaslieferungen mit Israel und Ägypten . "Das ist ein großer Schritt nach vorne für die Energieversorgung Europas", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch bei einer Pressekonferenz mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi in Kairo. Das Abkommen sehe vor, dass Erdgas aus Israel nach Ägypten transportiert, dort verflüssigt und dann nach Europa geliefert wird.
Vor der Schwarzmeerküste des EU-Mitgliedsstaats Rumänien begann am Mittwoch laut dem Erdgas-Unternehmen Black Sea Oil and Gas (BSOG) die Erdgasförderung. BSOG-Chef Mark Beacom sprach von einem "Schlüsselmoment", bis Jahresende sollen laut BSOG 500 Millionen Kubikmeter Gas gefördert werden. Rumänien ist einer der wenigen EU-Staaten, der über bedeutende Gasvorkommen auf dem eigenen Staatsgebiet verfügt.
Die russischen Erdgaslieferungen nach Europa sind seit Inkrafttreten der europäischen Sanktionen gegen Moskau wegen der militärischen Intervention in der Ukraine deutlich gesunken. Gazprom unterbrach zudem die Belieferung mehrerer europäischer Kunden, darunter Polen und die Niederlande, weil diese sich weigerten, für das Gas in Rubel zu bezahlen.
R.Zaccone--PV