Pallade Veneta - Kanzler Scholz plädiert für unabhängigere EU

Kanzler Scholz plädiert für unabhängigere EU


Kanzler Scholz plädiert für unabhängigere EU
Kanzler Scholz plädiert für unabhängigere EU / Foto: Michal Cizek - AFP

Als Konsequenz aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine deutlich stärkere und wirtschaftlich unabhängigere EU gefordert. Notwendig seien "europäische Antworten auf die Zeitenwende", sagte Scholz am Montag in einer Grundsatzrede an der Prager Karls-Universität. Dafür müsse Europa etwa bei der Außen- und Verteidigungspolitik autonomer werden. Bei der tschechischen Regierung stießen die Vorschläge des Kanzlers teilweise auf Skepsis.

Textgröße ändern:

Um die EU schlagkräftiger zu machen, seien Reformen nötig, sagte Scholz in seiner rund einstündigen Rede vor Studenten und Lehrkräften der renommierten Karls-Universität. Der Kanzler plädierte etwa für ein Ende des Vetorechts in der Außenpolitik. Zunächst könne dies bei den Sanktionen gegen Russland gelten, die bisher einstimmig beschlossen werden müssen, sagte der Kanzler. Aber auch bei Menschenrechtsfragen solle dieses Prinzip gelten.

Als Konsequenz aus dem Ukraine-Krieg plädierte Scholz zudem für deutlich stärkere Anstrengungen für die gemeinsame Verteidigungspolitik der EU. Er plädierte für einen "koordinierten Aufwuchs europäischer Fähigkeiten" und "mittelfristig ein echtes EU-Hauptquartier".

"Ich kann mir zum Beispiel vorstellen, dass Deutschland besondere Verantwortung beim Aufbau der ukrainischen Artillerie und Luftverteidigung übernimmt", sagte der Kanzler zu den Rufen aus Kiew nach stärkerer Unterstützung gegen Russland. Zum Wiederaufbau der Ukraine laden die Bundesregierung und die EU-Kommission nach seinen Worten für den 25. Oktober zu einer Expertenkonferenz ein.

Scholz sprach sich grundsätzlich für die Aufnahme der Ukraine, Moldaus sowie der westlichen Balkanstaaten in die EU aus und längerfristig auch Georgiens. In diesem Zusammenhang unterstützte er den Vorstoß des französischen Präsidenten Emmanuel Macron für eine Europäische Politische Gemeinschaft mit regelmäßigen Treffen der Staats- und Regierungschefs von Drittländern.

Darüber hinaus forderte Scholz eine "Strategie 'Made in Europe 2030'". Im Vergleich mit dem Silicon Valley oder chinesischen und japanischen Anbietern müsse sich Europa "an die Spitze zurückkämpfen", sagte er. Viele Rohstoffe wie Lithium, Kobalt oder Nickel seien in Europa vorhanden.

Scholz richtete sich knapp fünf Jahre nach der Sorbonne-Rede von Präsident Macron an das gelehrte Publikum. Einige der von Macron geforderten EU-Reformen wie etwa ein gemeinsamer "Finanzminister" waren anschließend aber am Berliner Widerstand gescheitert.

Beim Publikum kam die Rede des Bundeskanzlers gut an: Die Studentin Adina Kozova äußerte sich "beeindruckt" über Scholz' Bekenntnis zur Zukunft Europas und für die Erweiterung. "Ich habe den Eindruck, Scholz hat sich direkt an mich und an meine künftigen Kinder gerichtet", sagte die 22-Jährige, die an der Karls-Universität für deutsch-tschechische Studien eingeschrieben ist. "Für mich ist am wichtigsten Scholz' Fokus auf die Vereinung aller Europäer", sagte der 27-jährige Informatikstudent Maxim Korobov AFP. "Dann können wir Gefahren gemeinsam abwenden."

Im Anschluss traf Scholz mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Petr Fiala zusammen. Dabei besiegelten beide Seiten den geplanten Panzer-Ringtausch. Bis zum Jahresende soll Tschechien 14 deutsche Leopard-2-Panzer sowie einen Bergepanzer vom Typ Büffel erhalten. Prag hatte seinerseits der Ukraine Waffen sowjetischer Bauart bereitstellt. Fiala sprach von einem "großen Schritt" bei der Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich.

"Zurückhaltend" äußerte sich Fiala dagegen zu Scholz' EU-Reformvorschlägen: Er warnte vor langwierigen Debatten inmitten von Ukraine-Krieg und Energiekrise. Diese könnten "Monate oder Jahre" in Anspruch nehmen, betonte Fiala, dessen Land noch bis Ende des Jahres den rotierenden EU-Vorsitz innehat.

A.Fallone--PV

Empfohlen

Scholz reist zu G20-Gipfel nach Brasilien

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fliegt am Sonntag nach Brasilien, wo er am G20-Gipfel wichtiger Industrie- und Schwellenländer teilnehmen wird. Vor seinem Abflug gibt Scholz am Flughafen in Schönefeld ein Pressstatement ab (12.30 Uhr). Die Staats- und Regierungschefs der G20-Gruppe befassen sich am Montag und Dienstag in mehreren Arbeitssitzungen unter anderem mit Fragen der Bekämpfung von Hunger und Armut und der globalen Energiewende.

Trump nominiert Fracking-Unternehmer Chris Wright als Energieminister

Der designierte US-Präsident Donald Trump hat den Fracking-Unternehmer und Klimawandel-Skeptiker Chris Wright für den Posten des Energieministers nominiert. Der Chef des Unternehmens Liberty Energy solle Bürokratie abbauen, um Investitionen in fossile Brennstoffe anzukurbeln, erklärte Trump am Samstag. "Als Energieminister wird Chris eine wichtige Führungsrolle übernehmen, Innovationen vorantreiben, Bürokratie abbauen und ein neues 'Goldenes Zeitalter des amerikanischen Wohlstands und des Weltfriedens' einläuten."

Deutschlandticket: Wissing will dauerhafte Lösung und sieht Länder in der Pflicht

Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat dazu aufgerufen, den Streit um die Finanzierung des Deutschlandtickets rasch zu beenden und eine langfristige Lösung zu finden. "Es muss jetzt ganz schnell eine Lösung her, damit es das Ticket auf Dauer gibt", sagte Wissing der "Augsburger Allgemeinen" (Samstagsausgabe). Er hob dabei die primäre Verantwortung der Länder für den Nahverkehr hervor. Dies sorgte bei der Union für Verärgerung.

Nach Rassismusvorwürfen: Niederländische Regierung wendet Bruch der Koalition ab

Nach Rassismusvorwürfen im Kabinett hat die rechtsgerichtete Regierung des niederländischen Regierungschefs Dick Schoof einen Bruch der Koalition abgewendet. Die Staatssekretärin im Finanzministerium, Nora Achahbar, sei zurückgetreten, teilte Schoof am Freitagabend nach einer fünfstündigen Krisensitzung mit. Die anderen Mitglieder ihrer Partei NSC gehörten dem Kabinett aber weiterhin an. Die Regierung habe beschlossen, "gemeinsam weiterzumachen", sagte Schoof.

Textgröße ändern: