Umweltministerium lehnt im Ampel-Atomstreit Bestellung neuer Brennstäbe ab
Im Koalitionsstreit um den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken lehnt das für Reaktorsicherheit zuständige Bundesumweltministerium die Bestellung neuer Brennstäbe ab. Während die FDP am Mittwoch weiter darauf beharrte, die Akw länger laufen zu lassen, wofür neuer Kernbrennstoff nötig wäre, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), dass die Kraftwerke im Winter 2023/24 nicht mehr gebraucht würden.
Habeck will wegen der Energiekrise die Atomkraftwerke Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg bis maximal Mitte April 2023 in Reserve halten. Die dazu nötigen Gesetzesänderungen sollten eigentlich bereits im Kabinett beschlossen sein. Dies wurde aber bereits zweimal verschoben, offenbar wegen Widerstands der FDP. Sie will alle drei noch laufenden deutschen Akw - das dritte ist Emsland in Niedersachsen - bis mindestens 2024 laufen lassen.
Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums sagte am Mittwoch in Berlin, für Habecks Reserveplan reichten die vorhandenen Brennstäbe in den zwei Kraftwerken aus. Zu Frage, wie schnell neue Brennstäbe beschafft werden könnten, gebe es verschiedene Schätzungen, sie gingen aber alle "in Richtung ungefähr ein Jahr", sagte er.
Zuständig für eine solche Bestellung wären die Akw-Betreiber. Der Ministeriumssprecher betonte jedoch, dass die Neubeschaffung von Brennelementen mit einer "mehrjährigen Laufzeitverlängerung" verbunden wäre - "und das kommt aus unserer Sicht nicht in Betracht".
Ähnlich äußerte sich Grünen-Chef Omid Nouripour. "Wir werden sicher keine neuen Brennstäbe und damit neuen Atommüll bestellen", sagte er der "taz" vom Mittwoch. Zugleich griff er die Liberalen wegen des erneut verschobenen Kabinettsbeschlusses zur geplanten Akw-Reserve an: Er sei "irritiert", dass Absprachen über ein so wichtiges Thema "nicht mehr gelten sollen".
Wirtschaftsminister Habeck hatte zuletzt zur Eile beim Beschluss der Akw-Reserve gemahnt, damit die Betreiberfirmen sich darauf vorbereiten können. Nach geltender Rechtslage gehen zum Jahreswechsel alle drei noch laufenden Akw vom Netz.
Am Mittwoch erteilte Habeck der FDP-Forderung nach einer Laufzeitverlängerung erneut eine Absage. Durch die verschiedenen Maßnahmen in der Energiekrise sei im Winter 2023/24 "eine mögliche Unterversorgung der Gaskraftwerke in Deutschland nicht mehr zu befürchten", sagte Habeck in Berlin. Das sei der "fundamentale Unterschied" zum bevorstehenden Winter. In diesem gebe es "unter bestimmten Annahmen ein Netzstabilitätsproblem und dafür sind die beiden süddeutschen Atomkraftwerke hilfreich".
Zuvor hatte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai die Position seiner Partei bekräftigt. "Niemand will bei der Kernenergie einen Wiedereinstieg", sagte er im ARD-"Morgenmagazin". Nötig sei aber eine "temporäre Laufzeitverlängerung" für alle drei noch laufenden Atomkraftwerke bis 2024.
Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe am Dienstag versucht, zwischen Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner, zugleich FDP-Chef, zu vermitteln. Das einstündige Gespräch sei jedoch ergebnislos geblieben. Der Umgang mit der Atomkraft wird auch eine große Rolle auf dem Bundesparteitag der Grünen am Wochenende spielen.
A.Fallone--PV